IntoVR-Zwillinge hacken Dein VR-Erlebnis

Ein Strand, zwei VR-Reporter und eine verrückte Idee: Kann man eine Person in 360° verdoppeln und verschwinden lassen, ohne die Immersion zu zerstören? Man kann. Aber es ist schwerer, als wir dachten. 

Unsere Learnings in fünf kurzen Stichpunkten ganz unten im Text.

Es wirkte echt super: Zwei identische Zwillinge stehen am Strand von Tel Aviv, reden miteinander, bis die eine wie eine Illusion plötzlich verschwindet. Ein Stopptrick, der wunderbar funktioniert hätte. Wäre nur dieser Jogger nicht gewesen. Aber von vorn:

Inspiriert vom Kurzfilmfestival „99 seconds“ wollten wir eine etwas gewagte VR-Täuschung ausprobieren. Nämlich einen Menschen künstlich verdoppeln und sogar mehrfach im 360°-Sichtfeld erscheinen lassen. Die Idee: Unsere VR-Reporterin gibt Zuschauern auf kreative und sympathische Weise Tipps, wie man sich Menschen nahe fühlen kann, obwohl sie geografisch weit weg sind. Sie hat selbst eine Zwillingsschwester, die sehr weit entfernt lebt. Beide haben aber ein paar Rituale, die es ihnen erleichtern, sich nahe zu fühlen.

In der ersten Szene soll also der Eindruck entstehen, die Reporterin sei mit ihrer Schwester am Strand von Tel Aviv. Da diese aber nicht tatsächlich da war, haben wir das Ganze gefakt. Dazu haben wir unsere Back-to-Back-Kamera (Kodak SP 360) so ausgerichtet, dass die Stitchline, also die gedachte Linie zwischen beiden Kameras, so verläuft, dass wir asynchron drehen konnten. Die Stitchline ist hier bewusst parallel zum Meeresufer gelegt, damit möglichst nur auf einer Kameraseite Menschen vorbeigehen.

 

Heißt also: Im linken Bild, auf der vom Meer abgewandten Seite des Videos, sehen wir eine Reporterin, die mit einer imaginären Person auf der rechten, dem Meer zugewandten Seite spricht. In Wirklichkeit steht da allerdings die Kamerafrau. Direkt im Anschluss drehen wir das zweite Bild auf die gleiche Weise. Die Reporterin wechselt ihre Kleidung und stellt sich auf die andere Seite, wo sie nach einem genau festgelegten Zeitplan auf das Gesagte im ersten Teil reagiert. Diese beiden nacheinander gedrehten Szenen werden im Schnitt asynchron montiert, sodass der Eindruck eines echten, synchronen Gesprächs entsteht. Unsere Kamerafrau war hier auch gleichzeitig Aufnahmeleiterin, Regisseurin und Double.

Da sich im Laufe des Gesprächs herausstellen soll, dass die Schwester nur eine Einbildung ist, muss diese per Stopptrick verschwinden. Das gelingt uns, indem wir die zweite Szene, also jene, die wir auf der zweiten, dem Meer zugewandten Seite gedreht haben, hart schneiden und ein Bild der gleichen Einstellung vom leeren Strand einfügen. Doch wenn ausgerechnet in dem Moment des Verschwindens in unserem neuen Bild ein Jogger quer zur Stitchline den Strand entlang läuft, taucht er natürlich ebenso aus dem Nichts auf, wie die Schwester ins Nichts verschwindet. Dieser Trick geht also nicht auf.

Wir stießen außerdem auf ein weiteres Problem, das wir zwar einkalkuliert, aber in diesem Fall dennoch unterschätzt hatten. Für den Dreh haben wir uns einen sonnigen Morgen ausgesucht, da wir hofften, der Strand sei dann noch nicht überfüllt. Hier haben wir aber sehr lange Schatten, deren Positionen sich mit dem Sonnenstand schnell verändern. Zwar drehten wir die zweite Szene unmittelbar im Anschluss, trotzdem hatte sich der Sonnenstand schon signifikant geändert und damit auch die Richtung, in die der Schatten fiel. Wolken wären uns hierbei natürlich entgegengekommen, hätten andererseits aber neue Probleme verursacht. Denn dann wäre unser „Betrug“ anhand der asynchronen Wolken am Himmel aufgeflogen.

Den größten Spaß (und technischen Erfolg) hatten wir beim zweiten Teil des Videos. Dabei ging es um die besagten Rituale der beiden Schwestern: nämlich exakt das Gleiche zu tun, zu exakt derselben Zeit. Diese Gleichzeitigkeit haben wir inszeniert, indem wir unsere Reporterin an sechs verschiedenen Orten jeweils drei Mal die gleiche Handlung ausführen ließen. Und das in sechs verschiedenen Outfits. So entsteht die Illusion, unsere beiden Zwillinge würden an völlig verschiedenen Orten das Gleiche tun.

Im dritten und letzten Teil des Videos haben wir ein weiteres Element ausprobiert, das bei unseren Reportagen bisher selten zum Einsatz kam: ein 2D-Video im 360°-Bild. Für unsere kleine Geschichte war es jetzt wichtig, zu beweisen, dass es den echten Zwilling tatsächlich gibt. Da wir allerdings keine 360°-Aufnahme von beiden, also Reporterin und Schwester, haben, wählten wir ein privates Handyvideo, das wir an einer passenden Stelle einbauten.

Fünf Dinge haben wir gelernt:
– Nicht jede Schnapsidee funktioniert auf Anhieb
– Experimente mit asynchronem Drehen funktionieren nur dann, wenn sich ungewollte Bewegungen in der Stitchline ausschließen lassen. Und zwar wirklich nur dann.
– Beim asynchronen Drehen müssen Sonnenstand und Schatten in die Planung der Stitchline einkalkuliert werden. Nichts, was in Kamera 1 geschieht, darf auf Kamera 2 ausstrahlen und umgekehrt. Das gilt auch für Schatten.
– 2D-Videos im 360°-Videos können eine absolut sinnvolle Ergänzung sein
– Ein 360°-Video aus sechs in Streifen geschnittenen Einzelbildern zu schaffen, ist gar nicht so kompliziert und macht in diesem Beispiel wirklich Sinn.

Hier könnt ihr euch das ganze Experiment anschauen: tr.im/TwinHack (mobil in Youtube-App)

Text: Christiane Wittenbecher – Kamera: Maria Menzel – Konzeption: das ganze Team IntoVR

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