In Botswana ist fast jeder Vierte mit HIV infiziert, betroffen sind vor allem Frauen. Sarah Lehnert hat zwei von ihnen getroffen und mit ihnen über AIDS-Waisen, Vergewaltigungen und den Tod gesprochen.
Botswana ist ein beliebtes Reiseland. Rund drei Millionen pilgern jährlich in die Nationalparks, um Löwen, Giraffen und Elefanten zu beobachten. In Botswana können Touristen unbesorgt reisen: keine korrupte Polizei, keine Gefahr ausgeraubt zu werden. Botswana besitzt eine vergleichsweise starke Wirtschaft und rangiert mit seinem Bruttoinlandsprodukt auf Platz vier im afrikanischen Vergleich.
Und es belegt einen weiteren Listenplatz: als eines von drei Ländern mit der höchsten HIV-Rate der Welt. Fast jeder Vierte in dem Land mit zwei Millionen Einwohnern ist infiziert. Davon deutlich mehr Frauen als Männer. In Teilen des Landes erreichte die Infektionsquote zu Höchstzeiten 60 Prozent.
Die Epidemie traf die Regierung damals unvorbereitet. Um 2000 lag die Wahrscheinlichkeit eines 15-jährigen Teenagers an AIDS zu sterben bei 50 Prozent. Mittlerweile fährt der Staat eine konsequente Anti-AIDS-Politik, stellt kostenlose Medikamente zur Verfügung, bietet gratis Kondome und HIV-Tests an.
Schreckliche Erfahrung im Dorf Ghanzi
Auch Susann Moduku, 44 Jahre, HIV-positiv und Alleinversorgerin einer 13-köpfigen Familie, musste diese Erfahrung machen. Ihre 16-jährige Ziehtochter wurde missbraucht.
„Die HIV-Rate in Ghanzi ist sehr hoch und das liegt an den vielen Vergewaltigungen”, sagt Moduku. “Die meisten Männer missbrauchen die Mädchen, ohne ihren HIV-Status zu kennen, oder sie ignorieren ihn und stecken sie an.”
Die ganze Nacht suchen Susann und ihre Tochter Oxla den Mann, der das Mädchen erst beklaut, dann gewürgt und in einem verlassenen Haus missbraucht hat. Sie finden ihn und melden ihn der Polizei. Der Täter sitzt zwei Tage im Arrest und wird dann freigelassen. Am nächsten Tag steht er vor Oxlas Schule und lauert ihr auf. Normalität in Botswana.
„Die Männer werden nicht bestraft”, berichtet Moduku. “Vergewaltiger werden zu „geistig Behinderten“ erklärt und laufengelassen.“
Susann und Oxla warten auf das Ergebnis des HIV-Tests. Egal was dabei rauskommt, Oxla will das Dorf verlassen. Aus Angst.
Mütter und Großmütter werden zwangsweise zu Pflegemüttern
Tuduetso Gakelona ist eine von vielen Frauen in Botswana, die durch die AIDS-Krise gezwungen wurde, Waisen aufzunehmen. Nach dem AIDS-Tod der Schwester kümmerte sie sich neben den eigenen Kindern und Enkeln auch noch um deren Nachwuchs. Eine Pflicht, der sie sich nicht entziehen konnte. Sterben Familienmitglieder in Botswana, übernehmen die Angehörigen die Pflege der Hinterbliebenen.
„Ich habe die Vier behandelt wie meine eigenen Kinder. Habe für elf gekocht, mit großen Töpfen, draußen im Hof. Mittlerweile habe ich keinen Kontakt mehr. Sie leben ihr eigenes Leben, sind auf die schiefe Bahn geraten. Ich mache mir Sorgen.“
Als Tuduetsos Schwester und deren Ehemann 2000 die HIV-Diagnose bekamen, ging alles sehr schnell. Tuduetso versorgte das Paar bei sich Zuhause. Nach drei Wochen war alles vorbei. „Um 1999 und 2000 gab es keine Medikamente für die Menschen, sie starben wie die Fliegen. Niemand wollte sich um sie kümmern, aus Angst sie anzufassen.“
Vieles hat sich geändert, in der Versorgung und Behandlung der Infizierten. Aber die Krise ist längst nicht vorbei, sagt Tuduetso.
„Mittlerweile liegt das Problem bei den Teenagern. Immer mehr Kinder und Jugendliche infizieren sich. Sie sind unbesorgter. In ihren Köpfen existiert AIDS nicht mehr als Gefahr, da es ja Medikamente dagegen gibt. Junge Mädchen haben größere Angst, schwanger zu werden, als HIV zu bekommen.“
Das 360°-Video bei Ringiers Blick-App
Den 360°-Film über das Aids-Problem in Botswana präsentiert unser Kunde Ringier AG in der Blick-App, die kostenlos im Play Store und Apple App Store heruntergeladen werden kann. Nutzer von Desktop-Computern können das Video auch auf der Webseite von Blick sehen.
Videojournalistin Sarah Lehnert
Sarah Lehnert ist Videojournalistin. Geboren und aufgewachsen in Berlin, hat sie Politikwissenschaft, Geschichts-und Kulturwissenschaft sowie Kulturjournalismus in Berlin und Damaskus studiert und für ein deutsch-ägyptisches Magazin in Kairo geschrieben. Bei WeltN24 lernte sie den Videojournalismus kennen. Seit 2014 arbeitet sie als Videoreporterin.
Sie war für Welt Online, Spiegel Online und Zeit Online im Einsatz, ist gelegentlich aber auch als TV-Autorin tätig. Für IntoVR war sie erstmals mit einer 360 Grad-Kamera unterwegs.
IntoVR im Videoportrait
Mehr über das Medien-Startup IntoVR hier. Neben Konzeption, Dreh, Stitching und Schnitt von Filmen gibt das Team regelmäßig Workshops zu VR Storytelling.
In den Video-Statements: die IntoVR-Macher Susanne Dickel, Martin Heller, Angela Kea, Leon Krenz, Maria Menzel und Christiane Wittenbecher.